«Weggehen und neu ankommen», als Kind ungefragt ein neues Leben anfangen müssen, zählt zu den häufigsten Handlungsmotiven in der Kinderliteratur. Auch die Zürcher Autorin Katja Alves kann diesem Thema inhaltlich keinen neuen Dreh abgewinnen. Die Geschichte endet vorhersehbar: Marie trennt sich von den blöden Zicken, findet eine Lehrerin, der sie vertraut, und in Björn einen neuen Freund.
Was der Autorin jedoch gelingt, ist ein erzählerisches Spiel mit besagtem Motiv. Etwa durch Variation, indem zahlreiche Figuren im Umfeld der Hauptperson weggehen und neu anfangen. Allen voran Maries Vater, der die Familie verlassen
hat, um afrikanische Kinder zu retten. Die Ornithologie verbindet Vater und Tochter. Ohne das Vogelbuch, welches er ihr geschenkt hat, würde sie nirgendwohin gehen. Damit sind Vögel die Konstante in Maries Leben. Eine Konstante, die jedoch selbst immerzu in Bewegung ist.
Titel wie Titelbild stellen die gefiederten Wesen von Anfang an ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Das Cover zeigt die lächelnde Marie, auf ihrer Schulter eine Amsel, die eine bunte Schar unterschiedlicher Vögel anzwitschert. Ein Bild mit Symbolcharakter. Denn «wenn man Vögel beobachtet, ist man nie allein». Marie geben Vögel Sicherheit. In der alten Wohnung hing eine Pinnwand voller Zettel, auf denen Marie Interessantes über Vögel festhielt. Diese Pinnwandzettel leiten jedes Kapitel ein und künden davon, wie sehr die Fachkompetenz der Heldin auf ihren eigenständigen Beobachtungen basiert. Denn gross werden, und davon erzählt Katja Alves meisterlich, heisst wie ein Vogel sein Zuhause in sich zu tragen.
Ina Nefzer
(Quelle: SIKJM)
Beltz & Gelberg, Weinheim 2016
ISBN: 978-3-407-82165-2