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«Ich persönlich gehöre zu jener großen Mehrzahl von Menschen, die keinen anderen umgebracht haben, keinen Krieg erlebt haben und ein Auto der unteren Preisklasse fahren mit Sitzen, die im Sommer glühend heiß werden (wie der Peugeot 106 Roland Garros). Dennoch muss es etwas geben, was uns ein wenig einzigartig macht.»
Woran erinnere ich mich, wenn ich an meine Kindheit denke? Wie erzähle ich mein Leben? Der Lausanner Schriftsteller Eugène hat auf das autobiografische Problem eine ebenso simple wie bestechende Antwort gefunden: Er kristallisiert seine Kindheit in zwanzig Dingen. Sein Roman Ein unfassbares Land/La Vallée de la Jeunesse erzählt in kindlicher Logik von Dingen, «die gut für mich waren» und von solchen, «die schlecht für mich waren». Ein Kilo Tomaten, ein Postpaket, ein Anatomiebuch, der Rosarote Panther, ein Moped, ein Schuh, der auf einer Bergwanderung im Schlamm steckenbleibt – all diese Gegenstände bergen Erinnerungen und Verwicklungen. Und weil Dinge, wie wir aus Walter Benjamins Berliner Kindheit wissen, ein Eigenleben führen, ist im Vorneherein nie klar, ob Eugènes rasante Erzählungen in Richtung Komik oder Tragik ausschlagen. Ebenso unvorhersehbar ist der Alltag für den jugendlichen Ich-Erzähler und seine Familie in der fremden Schweiz, wo sie nach der Flucht aus Rumänien gelandet sind. Mit Humor und Sinn fürs Absurde erzählt Eugène, der mit vollem Namen Eugène Meiltz heisst, die Migrationsgeschichte seiner Familie. Vor allem aber ist Ein unfassbares Land ein Buch über die existenzielle Herausforderung des Erwachsenwerdens. Die Jugend des Ich-Erzählers endet in dem Moment, in dem sein Vater stirbt.
Doch die Liebe zu den Dingen bleibt. Die vielleicht schönste Geschichte ist dem Reisenotizbuch gewidmet, in dem der erwachsene Erzähler in Syrien materielle Spuren sammelt, z.B. einen Flecken Humus oder Meerwasser, und dadurch in einem Café in Damaskus selber zum Geschichtenerzähler wird. Dass man diesen Text einst als Hommage an eine vom Krieg zerstörte Kultur lesen würde, konnte Eugène beim Schreiben noch nicht wissen.
(Martina Läubli)
Übersetzung des Titels: La vallée de la jeunesse
Nagel & Kimche, Zürich 2014
ISBN: 978-3-312-00605-2