Dystopische Romane gibt es viele. George Orwell und Aldous Huxley haben dafür Standards gesetzt. Simone Weinmann reiht sich hier ein, doch sie findet eine eigene Sprache dafür. Es geht ihr nicht, wie etwa in Orwells „1984“, um Fragen der Macht, der Kontrolle und des Widerstands dagegen. Sie faltet vielmehr geduldig und anschaulich einen Raum aus, in dem sich die Menschen mit primitiven Mitteln und ohne Schutz durch eine Regierung selbst organisieren müssen. Atmosphärisch stimmig und mit subtilen Details schildert sie, wie ein Leben ohne Strom aussehen könnte; und sie macht glaubhaft, was einige wenige wie Nathanael, Vanessa und Ludwig zum Weggehen antreibt. Sie leisten nicht Widerstand – wogegen auch? –, sondern versuchen einfach auf eigene Faust ihr Glück zu finden. Weinmanns Bild der Zukunft ist weder totalitär noch gewalttätig, sondern anarchisch und armselig. Trümmer und Schrott erinnern am Wegrand an die alte Welt. Was geht uns verloren, wenn Kultur und Zivilisation zusammenbrechen?, fragt die Autorin. Die drei Flüchtenden geben eine Antwort darauf. Wir verlieren alles, ausser vielleicht die letzte Hoffnung. Ob sie sich erfüllt, lässt Simone Weinmann wohlweislich offen.
(Beat Mazenauer)
Kunstmann, Frankfurt 2021
ISBN: 978-3-956-14470-7