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«Die Wörter, die die Gefühle definieren, sind sehr unbestimmt, es ist besser, man vermeidet sie und hält sich an die Beschreibung der Dinge, der Menschen und von sich selbst.»
Mit dem Roman «Das grosse Heft“, dem ersten Teil einer Trilogie, erregte die in Ungarn geborene Agota Kristof 1986 erstmals Aufsehen. Vor dem Hintergrund ihrer Flucht in den Westen 1956 erzählt sie eine Geschichte über Wahrheit und Lüge, Identität und Entfremdung. Ihre Protagonisten Lucas und Claus füllen ihr grosses Heft mit einer Sprache, die sich durch beklemmende Kälte und Schmucklosigkeit auszeichnet. Einfachste kurze Sätze reihen sich aneinander und bemühen sich um erzählerische Objektivität jenseits aller Emotionen. Dem protokollarischen Modus zugrunde liegen Erfahrungen, die vielleicht nur so zu verarbeiten sind: Verwüstungen des Krieges, der alltägliche Zynismus in Notlagen. Bei ihrer Grossmutter, einer geizigen «alten Hexe», aufwachsend, bringen sich die Zwillinge durch hartes Training das rücksichtslose Alphabet des Überlebens bei. Minutiös und ungerührt halten sie alles fest, um sich so vor dem Erlebten zu schützen.
Agota Kristof prägte mit diesem Buch einen Stil von grösster Kargheit und Schonungslosigkeit. Aus der Perspektive von Aussenseitern schildert sie das Leben im Nachkrieg und unter einem Regime, dem Freiheitsdrang und Unabhängigkeit zutiefst suspekt sind. Am Ende des Bandes trennen sich Lucas und Claus. Während Claus über die verminte Grenze flüchtet und dabei kaltblütig seinen Vater opfert, bleibt Lucas zurück. In «Der Beweis“ und «Die dritte Lüge» findet seine Geschichte eine Fortschreibung.
(Beat Mazenauer)
Auch als Piper-TB, Neuauflagen ab 1990
Übersetzung des Titels: Le grand cahier
Rotbuch Verlag, Hamburg 1987
ISBN: 978-3-492-30433-7