Sie „würfelte“ sich förmlich durch die Stadt. Ein Würfelwurf bestimmte an einem bestimmten Kreuzungspunkt in der Stadt, ob sie nach rechts (gerade Zahl) oder nach links ging, und (je nach Augenzahl) über wieviele Strassenverzweigungen hinweg bis zum nächsten Halt. Hier hielt sie inne, beobachtete, und notierte, was sich zeigte oder tat. Danach folgte ein weiterer Würfelwurf. In einem späteren Arbeitsgang hat Elisabeth Wandeler-Deck die so gewonnenen Aufzeichnungen kategorisiert, verfeinert und ergänzt. Jedem der Standorte (1.) hat sie weitere Spezifikationen (1.1), spontan auftauchende Gedanken (1.1.1), Zitate oder zuletzt auch eigene Textversuche (1.1.1.1.1.1) beigefügt, die aus der fraglichen Konstellation entstanden sind. Systematisiert und durchnummeriert ist daraus ein höchst sonderbarer, vollends durchstrukturierter, zugleich spielerisch anregender Text entstanden, der sich einer herkömmlichen Lektüre entzieht.
Mit ihrer im Wortsinn aleatorischen Bewegungsformel macht sich Elisabeth Wandeler-Deck so – bereits bei sich zuhause in Zürich ansetzend – auf den Weg nach und durch Visby, um ihre Reise auf „infra-ordinäre“ Weise zu dokumentieren. Zentral ist dabei, dass sie stets auch das eigene Schreiben mitreflektiert. Das muss nicht, kann aber ein grosses Vergnügen bereiten, die Neugier auf eine literarisches Experiment vorausgesetzt.
(Beat Mazenauer)
Edition taberna kritika, Bern 2018
ISBN: 978-3-905846-48-5