Im fernen Kalifornien erreichte Orson Welles eine Nachricht von dem Ereignis. Die Geschichte von Jacaré und seinen Freunden faszinierte ihn, so dass er sie verfilmen wollte: „genau so, wie es war“. Doch gleich zu Beginn der Dreharbeiten wird der Hauptdarsteller Jacaré vom Meer verschluckt. Orson Welles drehte den Film dennoch, mit Jacarés Bruder in der Hauptrolle. „It's all true“ – im Internet verfügbar unter „Four men on a raft“ – ist ein eindrücklicher Film, in dem das Abenteuer mit starken Licht-Schatten-Akzenten, mit kühnen Einstellungen und mit grossartigen Aufnahmen der zerfurchten Gesichter der Fischer nochmals erzählt wird. „It's all true“, aber was genau ist die Wahrheit? Die Wahrheit ist nicht das Wirkliche, antwortet Carmen Stephan für ihn: „Die Wahrheit war tiefer. Sie hatte einen Grund.“ In einer ruhigen, fast schon zärtlichen Prosa erzählt sie minutiös von der Fahrt des mutigen Fischers Jacaré, vom ewigen Kind Orson Welles, von der Armut der Jagandeiros im Nordosten Brasiliens.
Doch am Ende drehte er nicht mehr, wie es „war“, schreibt die Autorin, sondern „wie es ist“. Sie selbst erahnt es mehr als sie es weiss, sie lässt solches Erahnen zu. Aufgrund des Films sowie von biographischen Zeugnissen und einem Besuch bei Jacarés Nachfahren hat Carmen Stephan ein schmales, bedachtsam reflektierendes wie einfühlsames Werk destilliert: wunderbare Literatur. Und wäre es nicht wirklich, so wäre alles wahr, denn: „Nur das Erzählte gibt es“.
(Beat Mazenauer)
S. Fischer Verlag, Frankfurt / M. 2017
ISBN: 978-3-10-397305-1