In seinem Erstlingswerk von 1966 bietet Giovanni Orelli den Lesern einen «Bildungsroman» in Miniatur: Auf 150 Seiten verflechten sich mit den Angelegenheiten des jungen Protagonisten die Schicksale von Generationen und die grossen sozialen Umwälzungen der Wrtschaftswunderjahre. Wie eine Lawine reisst die Moderne das Landleben mit sich und lässt dabei viele Leichen und einige Überlebende zurück. Und doch ist der Fortschritt eine Kraft, die über das Individuum hinaus weist und es zur Veränderung zwingt. Aus dem inneren Erleben erzählt Orelli davon mit einer schlichten und präzisen Sprache, er überlässt der Kraft der Bilder die Aufgabe, die individuellen und kollektiven Angelegenheiten und Emotionen zu vermitteln.
Indem er Wahlverwandtschaften mit dem grossen, mitteleuropäischen Roman des 19. Jahrhunderts herstellt und und stilistisch mit den Modellen der italienischen Literatur dieser Jahre – vor allem Montale – im Dialog steht, katapultiert «Der lange Winter» das Tessin in die zeitgenössische Literatur.
(Francesca Puddu, übersetzt von Christoph Roeber)
Neuausgabe: Limmat Verlag, Zürich 2003.
Übersetzung des Titels: L’anno della valanga
Rascher, Zürich 1966
ISBN: 3-85791-435-1