Doris Femminis

Für immer draussen

«Vollkommen durch den Wind durchschnitt Giulia Borioli die Nabelschnur, die sie noch mit Estaban, mit den irrlichternden Freunden und ihrem schwankenden Stück Land verband und folgte der Pfeife des Teufels.»

Tessin, 90er-Jahre: verloren und voller Zukunftsängste macht Giulia einen Selbstmordversuch und landet in der psychiatrischen Klinik von Mendrisio. Sie erzählt dort die Geschichte ihrer jüngeren Schwester Annalisa, schliesst engere Bekanntschaft mit der leidenschaftlichen, wuterfüllten Mitpatientin Alex und versucht, zu sich selbst zu finden. Die Lebensgeschichten der Spitalangestellten und vor allem der Familie vervollständigen das Bild: die Mutter leidet unter einer chronischen Depression, die Brüder reiben sich an der Beengtheit des Dorflebens, während ihr bester Freund Esteban, die Stütze ihres Lebens, fest verankert ist in der ländlichen Welt, die ihn umgibt.
Zahlreiche Motive und Geschichten wirbeln im Sog der Ausbruchsversuche der jungen Frau und der anderen Figuren mit ihren verschlungenen Lebenswegen. Zur Depression, die sowohl aus der Sichtweise der Patienten als auch aus derjenigen des Pflegepersonals beleuchtet wird, gesellen sich Themen wie die Mutter-Tochter-Beziehung, der Übergang ins Erwachsenenleben, zwischenmenschliche Probleme, der Bezug zur Heimat, Stadt und Land, Drogensucht, Sexualität, Exzesse und der Verstoss gegen Regeln. Dazu erfährt man viel über die Geschichte der Psychiatrie und der Vorurteile gegenüber allem, was der gesellschaftlichen Norm nicht entspricht. Mit dem gebotenen Respekt und der nötigen Komplexität geben Doris Femminis’ lebendige Sprache und ihre starken, treffenden Bilder einen Einblick in das schwierige und wenig bekannte Gebiet der Psychiatrie.
   
Schweizer Literaturpreis 2020
  
Die Übersetzung von Barbara Sauser erscheint Ende Mai 2022.

Übersetzt von: Barbara Sauser

Originaltitel: Fuori per sempre

Edition 8, Zürich 2022

ISBN: 978-3-85990-436-1